Samstag, 10. April 2010

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Max ist mal kurz fuer zwei Wochen nach Chile verreist. Dort trifft er die anderen Guerrileiros Fid...aeh Julian Barabas und Chenathan Guereiner, mit denen er die Atacamawueste, Pazifikstraende und Grossstadtdiskotheken durchkaemmt.

Wenn Sie wollen, koennen sie nach dem Punkt eine Nachricht hinterlassen.

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p.s.: Nach Max Rueckkehr gibt es
1.) frische Reiseberichte (da war ja auch noch der Vater im Maerzen vorbei gekommen)
2.) Bilder fuer die letzteren Berichte (ein kleines technisches Problem, aufgrund von 3.))
3.) hoffentlich weitere Gluecksmomente in Brasilien, denn er laesst ausrichten, dass es ihm sehr gut geht, er gesund und wohl auf ist (nur das Wetter spielt gerade nicht so richtig mit - siehe Foto).

Kapitel 4 - Teil 4: Wochen des Wandels?

Ich habe lange hin und her ueberlegt, wie ich diesen Teil des Blogs nun gestalten soll. Ich haette die gaehnend langen Gespraechsprotokolle fuer jederman zugaenglich machen koennen, was wohl zu viel des Guten gewesen waere (auf Anfrage aber gerne per Email). Genauso waere es moeglich gewesen, die Protokolle auf die wichtigsten Stellen zurueck zu stutzen, aber das verzerrt zwangslaeufig den wahren Hergang der Gespraeche und liesst sich ziemlich trocken.
Schlussendlich entschloss ich mich dann dazu, eine Art Zusammenfassung der fuer sehr entscheidenden Woche zu schreiben.

Es sollten drei Gespraeche stattfinden, die ueber die Zukunft des Verhaeltnisses zwischen uns Freiwilligen und der Stiftung Terra Mirim entschieden.

Erster Akt:
Unsere indirekte Verantwortliche Maria Isabel war ziemlich erstaunt, als ich ihr meine Situation am Dienstagmorgen nach der Rueckkehr aus Sao Paulo offenbarte. Ich gab ihr zu verstehen, dass ich mit den momentanen Vorgaengen in Terra Mirim in Bezug auf die deutschen Freiwilligen absolut unzufrieden sei und, dass dies auch Thema des Zwischenseminars in Sao Paulo gewesen war.

Ich als Freiwilliger kaeme mir unnuetzig vor, genauso wie meine Arbeit, die in meinen Augen so gut wie nur dazu diene, Arbeit zu sein. Ein soziales Motiv vermochte ich dahinter nur um zwei Ecken zu erkennen, genauso die Tatsache, dass sich offensichtlich die vorher gestellten Ansprueche an meine Arbeit in Bezug auf die Wirklichkeit zwangsweise um 180 Grad gedreht haetten. In der Schule herrsche kein Bedarf nach paedagogischem Personal, im Gegenteil: die etwa 10 fast vollstaendig freiwilligen Lehrkraefte haetten den Ablauf super im Griff, verstuenden es selbst aeusserst gut, Unterricht und andere Aktivitaeten mit den Kindern zu leiten.

Und auch im Umweltbereich habe sich eigentlich so gut wie Nichts unter Einbezug der Freiwilligen ereignet, abgesehen von der Routinefuetterung der Bienen. Somit muesse ich mir zu meinem Bedauern eingestehen, dass ich nach sechs Monaten keinerlei langfristig-nuetzliche Arbeit fuer niemanden an diesem Ort hinterlassen habe und durch eine soziale Krise ginge.

Dem nahm sich Isabel, die zu Beginn nur mit uns zwei Freiwilligen an einem Tisch sass, an, allerdings wurde aus dem sechs-Augen-Gespraech bald ein zehn-Augen-Gespraech und zwei Tage spaeter hatte sich die Sache auch bis zum Letzten durchgesprochen, was mich im Nachhinein ziemlich veraergert hat.

Es wurde versucht, beruhigend auf die Situation einzuwirken, den sozialen Kontext Terra Mirims mit allen Projekten und Aktivitaeten klar zu stellen und zu beschwichtigen. Viel wurde erzaehlt ueber dieses "avantgardistische" Modell einer Gemeinschaft, dass jeder seinen Beitrag dazu leisten muesse und unverzichtbar sei. Gleichzeitig koenne man aber mit der noetigen Bereitschaft, welche womoeglich bei uns Freiwilligen nur eingeschraenkt vorhanden gewesen sei, immer neue Impulse setzen, worueber wir doch noch einmal nachdenken sollten.

Schlussendlich machte ich den Verantwortlichen deutlich, dass es nicht meine Absicht sei, weiter in der zu Einrichtung bleiben, sollte sich nicht grundlegend etwas am Plan unserer Wochen aendern und ich zweifelte laut an den gegebenen introspektionellen Moeglichkeiten Terra Mirims, welche tiefgreifende Impulse setzen koennten.

Zweiter Akt:
Einen Tag nach dieser sehr direkten und offenen Aussprache erschien unerwartet die Leiterin der Oekologischen Schule, um mit uns Freiwilligen und den Tischteilnehmern vom vorherigen Tag ueber die ernste Angelegenheit zu sprechen. Als eine der aeltesten Mitarbeiter Terra Mirims sollte sie die im Urlaub befindliche Alba Maria gewissermassen vertreten und neuen Wind in die Gespraeche bringen.

Nachdem ich meine Ausfuehrungen des Gespraechs vom Vortag wiederholt hatte, begann die Frau mit einem langen Vortrag. Sie holte ziemlich weit aus, erzaehlte von europaeischen Sklaventreibern, die Brasilien als eine Minderheitsdiktatur errichtet und ein soziales Erbe der Ignoranz bis heute im Land hinterlassen hatten.

Und nun habe Alba Maria vor 20 Jahren Terra Mirim gegruendet. Einen Ort inmitten einer der sich am meisten industrialisierenden Region Bahias, inmitten grosser struktureller Armut in den anliegenden Siedlungen, Armut, die auf das kaltherzige und verbrecherisch handelnde Europa der letzten 400 Jahre zurueck zu fuehren sei. Nach dieser kleinen Zeitreise stieg sie schliesslich im Thema "soziale Arbeit" ein, nicht zu letzt auch wohl deshalb, weil sie Jahre lang in Gewerkschaften und als oeffentliche Paedagogigen aktiv war.

Es gaebe zwei grundsaetzlich unterschiedliche Ansaetze zur Vorstellung sozialer Arbeit: 1.) man koenne ohne jeden Bezug zu den Menschen in eine Favela gehen, Kondome verteilen, fuenf verschiedenen Schulklassen pro Tag kurz Unterricht geben und zwischen drinn noch alten, pflegebeduerftigen Leuten vor Ort das Gesaess abwischen (bezeichnet als "europaeisch-bourgoise"), 2.) - und das sei nun die Philosophie Terra Mirims - koenne man auf langfristige Zusammenarbeit setzen, auf gemeinsames Wachstum und bescheidene Ziele mit wenigen, auserwaehlten Menschen (sie schilderte dies am Beispiel der Lehrer in Terra Mirim mit ihren z.T. bedrueckenden Schicksalen) hinarbeiten, die als Vorbilder in ihren jeweiligen Gemeinden die Leute mit sich zoegen: dies Alles im Verbund mit einer intakten Natur und einem gesunden Lebensstil.

Sie zaehlte aehnlich wie Maria Isabel am Vortag viele Dinge auf, die Terra Mirim realisiere und bereits verwirklicht habe, Baumpflanzungen, Flussreinigungen, Jugendgruppen, die Schule, usw. Damit alle diese Dinge aber funktionieren koennten, benoetige es genauso einer guten Pflege, Wartung und Verwaltung des Ortes.

Darauf ging ich schliesslich tiefer ein und versuchte klar zu stellen, dass das Problem eben genau darin bestanden habe, dass sich die Freiwilligen fast ausschliesslich um letztgenanntere, unmotivierende Dinge gekuemmert haetten und das in der Schule, im Gegensatz zur Ankuendigung, kein wirklicher Bedarf an Helfern bestehe. Ausserdem verwiess ich dabei auch noch auf das z.T. ruppige und undankbare Arbeitskllima, sowie den Mangel an Veranwortung, der mir zugestanden werde.

Es stellte sich heraus, dass in Terra Mirim tatsaechlich die Meinung herrscht, Verantwortung nur selten an andere zu delegieren - aus Angst vor Fehlern, die "folgenschwer fuer alle sein koennen." Daraufhin versuchte ich den Leuten klar zu machen, dass ein paar angegammelte Fruechte oder eine ausnahmsweise nicht heiss, sondern nur warm aufgewaermte Suppe (Gemuesemarkteinkauf und Essensaufwaermen wurden mir erst vier Monate nach der Ankunft zugetraut) auch der Stiftung Terra Mirim nicht den Untergang bringen wuerden - im Gegensatz dazu sei es voellig normal, dass nicht alle Ablaeufe ohne zugestandene Eingewoehnungsfehler sofort funktionieren koennten, sondern vielmehr ehrliches Vertrauen und Hilfestellungen der Sache gut tun wuerden.

Im Nachhinein hoffe ich, dass an dieser Stelle vielleicht ein kleiner Ruck durch die Beteiligten gegangen ist und man den neuen Menschen ein wenig mehr vertraut und ihnen auch mal Fehler zugesteht.

Zum Thema Umgangston war die Erklaerung recht knapp und eigen: als eine Gemeinschaft, die sich fast ausschliesslich aus Frauen, den in diesem Landesteil immer noch unterdrueckten Geschlecht, zusammenstelle, haetten sich ueber die Jahre gewisse Resistenzen und Haerten bei den Bewohnerinnen eingebuergert, die sich auch im Leben miteinander gelegentlich zeigten. Natuerlich sei dies aber nicht immer so gemeint, wie es bei manchen Gespraechen rueberkaeme, im Herzen fuehlten sich alle Bewohner schliesslich beisammen.

In meinen Augen (das habe ich aber am Tisch nicht gesagt): Erklaerung - ja, Rechtfertigung - nein. Man sollte, und das ist eine interkulturelles Notwendigkeit, zwischen Freund und Feind unterscheiden koennen. Wenn beim Streichen mal ein Farbklecks auf dem Boden landet oder die Aepfel in der Vorratskammer zu hoch gestapelt sind, dann kann man das mit jedem Menschen vernuenftig regeln - auch ohne seinen abschaetzigen Kommentar zum Besten zu geben!

Nun wollten wir auch konstruktiv mit der Situation umgehen. Ich hatte mir eine Reihe von Dingen ueberlegt, die sich mit den Dingen realisieren liessen, die ich beherrschte und die man gebrauchen koenne. Alle moeglichen Unterrichtsvorschlaege, Schlagzeug, Gitarre, Volleyball, Basketball, Englisch, Baumpflanzaktionen, Muellsammeln, Aufklaerungsprojekte (Mist, zurueck in de Bourgoisie), kurzum: etwas, wovon meiner Meinung nach auch MENSCHEN profitieren koennten!

Diesen Ideen musste die Schulleiterin sogleich den Riegel vorschieben, machte aber Hoffnung, dass es dieses Schuljahr wohl einen Englischunterricht geben werde (bis heute - April - nicht geschehen), ansonsten wuerden Restzeit, der Grad an Verantwortung fuer einen Freiwilligen und Belastbarkeit der restlichen Terra Mirim-Mitarbeiter keine neue Projekteroeffnung zulassen. Schlussendlich wurde mir eine Rolle als Mathelehrer und Teilnehmer bei einem Kooperationsprojekt in Aussicht gestellt - schon deutlich bessere Konditionen als noch zu Dienstbeginn.

Darueber hinaus bat ich die uebrigen Gespraechsteilnehmer deutlich, mich schlichtweg auf dem Laufenden zu halten, wenn es um konkrete Projekte Terra Mirims, bei denen Moeglichkeiten zur Partizipation bestuenden, gehe. Dies sei in der Vergangenheit allzu oft vergessen worden und die Freiwilligen somit unfreiwillig als Aussenstehende ausgeklammert worden. Alle sicherten mir in dieser Hinsicht Unterstuetzung zu und direkt im Anschluss an das Gespraech wurde mir eine kleine Einfuehrung in aktuelle Entwicklungen gegeben - Warum nicht gleich so?

Womoeglich auch deswegen fuehlte ich mich in meiner Botschaft an die Leute besser verstanden und respektiert, es liess mich bis zum dritten Gespraech mit Alba Maria eine Woche spaeter von der Idee abruecken, der Einrichtung den Ruecken zu kehren. Einen Versuch zu wagen, erschien mir ploetzlich doch als die bessere Alternative im Vergleich zu einer neuen Projektsuche und der damit verbundenen Umsiedlung an einen voellig fremden Ort, an dem man ohne Freunde und Erfahrung wieder total bei Null haette anfangen muessen. Endlich halbwegs Lehrer, involviert in Veranstaltungen vor Ort, mit Vertrauen ausgestattet - das koennte es wohl sein!

Dritter Akt:
Nun war also fast eine Woche vergangen, bis zur Kuechinchefin wussten alle von meinen Problemen und diskutierten offensichtlich auch darueber, natuerlich ohne, dass mich irgendjemand darauf ansprechen sollte (leider keine seltene Unart in dem Brasilien, dass ich kennengelernt habe). Ich versuchte, meinen ueblichen Tagesablauf runterzuspuhlen, machte mir viele Gedanken ueber das Hier und Jetzt und wie die Zukunft aussehen koennte. Klar, es haette doch alles so einfach sein koennen! Gerade in Bahia, wo doch die hoechste Inkarnation der Laessigkeit selbst Menschen und Gesellschaft zu unterwandern vermag.

Doch ist das Leben eben nicht immer so locker, wie man es sich wuenscht – es galt, pragmatisch und moeglichst positiv an die Sache heranzugehen, wenn schon die absolute Erfuellung aller urspruenglichen Wuensche und vermittelten Vorstellungen nicht gegeben sei. Immerhin: eine anstaendige Taetigkeit als Lehrer und wahrscheinlich ein Portioenchen Respekt vor meinen Motiven sollte ich mir erarbeitet haben, nicht zu vergessen die klare Devise an meine Verantwortlichen: lasst mich auch Aufgaben uebernehmen, die dem Weltwaertsgedanken entsprechen.

Es galt, erst einmal pragmatisch mit der Situation umzugehen. Dass ich mich in dieser Woche heftig erkaeltete, wurde natuerlich sogleich als psychosomatische Reaktion von den Verantwortlichen ausgelegt, mag sein, aber es belastete mich nicht uebermaessig. Die Tatsache, sich offen ausgesprochen zu haben, gab mir in diesen Tagen eine positive Kraft. Dinge, die mich sonst nervten und ueber die ich mich innerlich unheimlich aufregen konnte, gab es zwar immernoch – anstatt mich aber reinzusteigern und darunter zu leiden, begann ich nun endlich wieder, Humor walten zu lassen, nicht alles so scharf zu sehen, den Alltagsabfluss zu leeren. Und siehe da: die Regenschauer lichten sich.
Und dann bekommt Dilan fuer ein Kleinprojekt eine Privatspende von 500 Euro (!).
Und dann kommt aus Deutschland eine liebe Postkarte fuer mich, ueber die ich mich gar nicht genug freuen konnte – man hat doch Leute, denen man etwas bedeutet, nur eben etwas weiter weg und das gibt einem ein sehr geborgenes Gefuehl.

Anfang naechster Woche dann ein sehr beruhigendes und resuemierendes Gespraech mit Alba Maria, die aus dem Urlaub zurueck gekommen war. Es wurde gesprochen ueber eine Vorstellung von Heroismus, die den Menschen heute ueber die Medien vermittelt wuerde, welche nicht den wahren Tatsachen entspricht.
Genauso gab sie uns unsere Entwicklung in Brasilien aus ihrer Sicht zu verstehen. Ihrer Meinung nach, haette vor allem zu Beginn des Dienstes ein Problem darin bestanden, dass wir uns nur sehr wenig mit Gleichaltrigen beschaeftigt hatten. Jugendliche muessten rauskommen in die Welt, sich vergnuegen mit Ihresgleichen, das Leben von der lockeren Seite sehen. Der Meinung bin ich allerdings auch sehr.

Im Nachhinein hoerte sich das fuer mich ausserdem recht bitter an, wurden wir doch zu Dienstbeginn ueberdeutlich vor dem Ausgehen in die Nachbarschaft gewarnt, ja, sogar dazu genoetigt, eine Unterschrift unter eine Erklaerung nach dem Motto „wenn ich rausgehe, bin ich fuer mich selbst verantwortlich und komme moeglichst vor Einbruch der Dunkelheit zurueck“ zu setzen (dumm nur, dass die Dunkelheit meist eine Stunde nach Dienstende unter der Woche einsetzt). Regelungen im Sinne von „nur 2 mal pro Woche in den Nachbarort“ waren kurzzeitig Gegenstand ernsthafter Absichten. Wie gesagt, das geschah alles waehrend den ersten Monaten des Dienstes, in denen natuerlich den Verantwortlichen unsere gesunde und sichere Eingewoehnung am Herzen lag. Jedoch sollte man das nicht vergessen, hat letztendlich doch die gute Absicht der Vorgesetzten allen Beteiligten geschadet und der Stimmung nicht gut getan – aus Fehlern lernt man eben.

Eigentlich hatte ich schon vor diesem letzten Gespraech gespuert, dass diese Woche voller Trubel ein positiver Wandel folgen sollte. Heute im April, also rueckblickend, weiss ich, dass mein Gespuehr an diesem Tag richtig lag. Ich fuehle mich so gut, wie lange nicht mehr: waehrend der Arbeit, beim Reisen, im Verhaeltnis zu den Mitbewohnern. Und letztendlich wieder die Feststellung, dass ein Blick in sich selbst und der offene Dialog nicht immer einfach, jedoch so gut wie immer erfolgreich sind.


Teil 1: Zwischen Tucanen, Strandparadies und Krokodilen
Teil 2: Wo Licht ist, ist auch Schatten
Teil 3: Metropolis
Teil 4: Wochen des Wandels?

Kapitel 4 - Teil 3: Metropolis


Und dann kam Sao Paulo.

Die beiden Amntena-Vorstaende Ludwig Mueller und Kurt Wohnhas hatten alle Brasilianer nach São Paulo eingeladen, zwei aus Porto Alegre, sowie Dilan und mich als auch noch zwei andere Maedels aus Salvadorcity. Es waren vier sehr schoene Tage, ergiebig und lustig zu gleich. Abgesehen von der Arbeit, die es in Bezug auf unsere Projekteinsaetze zu verrichten gilt, hatten wir einige kurze Gelegenheiten, die fuenftgroesste Stadt der Welt kennen zu lernen – mit ihren mehr als 20.000.000 Einwohnern und 8.000km² (Metropolregion).

Kurzbeschreibung direkt nach der Ankunft: eine Stadt, die nur aus Hochhaeusern zu bestehen scheint, bis zum Horizont, in jede Himmelsrichtung. Aber auch in der stets ueberfuellten Metro fuehlt man sich wie Ameise X4U61 auf dem Weg nach Y-!9. Ueberall Menschen, Autos, laute Geraeusche, Blinklichter. Der Inbegriff von Globalisierung, eine Millionen Japaner, genauso viele Deutsche und hunderte Nationalitaeten: alle sind sie in diesem riesigen Pott zu einer bunten Masse verschmolzen, die sich wie wild zielgerichtet durch die Strassen bewegt immer fort pulsiert. Aus meinem Hotelzimmerfenster konnte ich mir gut einen Eindruck von dieser niemals schlafenden Megacity machen. Tag und Nacht, 24 Stunden rund um die Uhr fahren auf der achtspurigen Strasse Autos, Autos, Autos. Das ist schon verrueckt, sich vorzustellen, ein Leben lang in so einer Stadt zu wohnen. Wie soll man je einen Bezug zur urspruenglichen Umwelt des Menschen herstellen koennen, wenn man in so einen Trichter geboren wird und aufwaechst, der keine echte Natur, kein Leben ohne Mangel kennt, kein Leben ohne Verkehr, ohne Geschwindigkeit, ohne Laerm? Da wuerde es mir gewaltig vor grauhen. Aber ein paar Tage reinschnueffeln geht schliesslich immer. Widmen wir uns aber dem Geschehen im Tagungsraum des Hotels zu. Dort wurde viel administratives geklaert, die anderen Freiwilligen stellten ihre Projekte vor und erzaehlten, wie es ihnen denn dabei ergangen war, uns wurden Videos und Fotos der anderen Amntena-Entsendeten in West-Suedamerika gezeigt, die diese zum Seminar in Chile mitgebracht hattten. Und auch Dilan und ich berichteten, wie es uns denn in den letzten sechs Monaten ergangen war. Unter dem Motto "Fides“ (lat.: Vertrauenswuerdigkeit, Ehrlichkeit) schilderten wir offen alle Dinge, wie sie unserer Sicht nach in Terra Mirim gut liefen oder - wie oben beschrieben - mit uns in Konfilkt geraten waren. Den beiden Vorsitzenden missfiel die Tatsache, dass unsere beiden Vorgaenger die Ferienregelung von Weltwaerts - 18 Tage - leicht uminterpretiert hatten, naemlich zu ueber 50 eben derer ummuenzten, denn das hatten sie so natuerlich nicht erwartet. Es erklaert aber fuer alle Beteiligten den Fakt, dass man in Terra Mirim bei Dilan und mir auf jeden Fall Samstagsschichten vorsieht (letztes Jahr nicht der Fall), genauso wie die Mitarbeit beim regelmaessigen Essensaufwaermen und Beete bewaessern ausserhalb der Arbeitszeiten und nicht das Nichtanerkennen von Heiligabend oder Silvester als Feiertage. Natuerlich stimmte die Verantwortlichen von Amntena unsere Bestandsaufnahme zur Arbeitssituation auch nicht unbedingt froehlich. Es wurde darueber diskutiert, wie man die momentane Situation denn aendern koenne, dass sich fuer alle Beteiligten Vorteile ergeben und Zufriedenheit einkehrt. So legten uns Kurt und Ludwig nahe, direkt nach der Ankunft mit den Verantwortlichen von Terra Mirim das offene Gespraech zu suchen. Und das sollten wir auch tun. Allerdings durfte am Vorabend des Abflugs ein gemeinsamer Besuch der stadtbekannten Churrascaria "OK" nicht fehlen, bei dem wir es uns einmal so richtig schmecken liessen. Die einmalige Gelegenheit, einen echten Tropfen Wein vorgesetzt zu bekommen - in Bahia ist das Bier die Domina - konnten wir uns einfach nicht nehmen lassen und mussten natuerlich jeden Jahrgang einzeln testen. Und auch das Essen liess nicht lange auf sich warten. Kaum hatten wir sieben uns an den runden Tisch gesetzt, da schossen schon sogleich mindestens fuenf Kellner herbei, die uns gleich einmal 20 Teller verschiedenster Vorspeisen unterjubeln wollten. Wir bestellten daraufhin schliesslich die noble Variante des "all you can eat" - "all you can eat + all we can cook and bring" und liessen uns verwoehnen. Ja, das darf einmal im Jahr auch sein! Es war ein laufendes Sushi-Fliessband, nur eben in noch lebendigerer Form der Kellner. Immer, wenn einer seinen Teller artig aufgegessen hatte, kamen sofort drei Kellner und fragten nach weiteren Wuenschen, bzw. kochten sie erst, um sie dem voellig ueberforderten Esser auch live unter die Nase zu halten. Allein schon diese Tatsache und der reichliche Wein und Caipirinhagenuss machten den Abend von Beginn an ueberaus gesellig und es wurde reichlich gelacht, gescherzt und konsumiert. Wie viele Langusten wurden an diesem Abend verzehrt und wer ist der Rekordhalter (Tipp: ich war es nicht!)? Daran konnte sich am naechsten Tag niemand mehr so wirklich erinnern.

Jedoch erinnerte mich am naechsten Vormittag, nach einer Nacht voller wilder Traeume, eine SMS auf meinem Handydisplay an das absolute Sahnehaeubchen des Vorabends: "Und? Gehen wir noch in eine Disko? Vergiss nicht, ich kann zaubern, was glaubst du, wie mir die Frauen deshalb zu Fuessen liegen? Melde dich." Was war geschehen? Waehrend die Glaeser im OK an unserem Tisch am Vorabend langsam immer wieder voll und leer wurden, hatte sich doch tatsaechlich ein etwas falscher Kellner unter die wuetigen Essensbringer gemischt! Dieses schelmige Gesicht war uns von Anfang an verdaechtig, soweit man es denn noch einzeln sah (okay, das war jetzt uebertrieben). Und als er dann anfing, seine Spielkarten zu zuecken, gab es kein Halten mehr. Ein Magier im Restaurant, der die Gaeste vorfuehrt – was fuer eine super Idee. Er trieb so manchen Scherz mit unserer Gruppe, ploetzlich war Ludwigs Uhr an Kirstins Handgelenk, „Kurti“ verhalfen auch gezinkte Karten nicht zur tieferen Erkenntnis, der Zauberer spuckte wie wild Karten durch die Luft, die wir vorher bemalten und ihm augenblicklich vorher in die Hand drueckten, goss mit verbundenen Augen mit einem Meter Abstand Schnaepse in unsere Muender und vieles mehr. Ein wahres Highlight an Entertaining. Nun gut, gegen Ende des Abends hatte er leichtes Spiel und wie die SMS zeigt, haette er es doch tatsaechlich noch fast geschafft, uns noch zu einer langen Nacht in Sao Paulo zu ueberreden.

In jedem Fall war dies ein Abend, an den ich genuesslich und mit Freude zurueck denken werde. Eine Mischung aus Zaubershow, Esswettbewerb und Winzerfest, wer hatte das schon erlebt?

Am naechsten Tag stiegen wir somit voller Frohsinn und guter Laune in den Flieger zurueck nach Bahia, die Vorsaetze waren nicht gerade gering und ein mulmiges Gefuehl machte sich in uns breit, als wir zur Landung ansetzten. Schliesslich mussten wir, egal wie das Resultat ausfallen sollte, so manchen ziemlich vor den Kopf stossen und das ist eigentlich nicht unser beider Spezialitaet. Vielleicht auch deswegen liessen wir uns vom Flughafentaxi direkt ins Nachbardorf zu unseren Freunden fahren, mitsamt den Koffern und einigen Reisestunden im Gemuet, anstatt sobald als moeglich in Terra Mirim einzuchecken. Das fanden die Verantwortlichen, wie wir am naechsten Tag erfahren sollten, gar nicht lustig, hatten sie doch den Taxifahrer - "ausser sich vor Sorge" - angerufen (nicht etwa uns), um sich zu informieren, was wir an diesem Sonntagabend so trieben. Die Vorzeichen hatten sich dadurch nicht verbessert, im Gegenteil, aber gemeinsam sollten wir die Sache irgendwie bewaeltigen, da waren wir uns sicher.

Teil 1: Zwischen Tucanen, Strandparadies und Krokodilen
Teil 2: Wo Licht ist, ist auch Schatten
Teil 3: Metropolis
Teil 4: Wochen des Wandels?